広島独文学会

Von den Schwierigkeiten Ausländer zu sein

Christel Kojima-Ruh

Wenn ich, frisch pensioniert und rückblickend auf gut dreißig Lebensjahre in Japan, an dieser Stelle über meine interkulturellen Erfahrungen berichten und dazu noch möglichst lustige auswählen soll, so ist das ein schwieriges Unterfangen. Kurz zusammengefasst würde ich sagen, dass das Leben im Ausland nur mit viel Humor zu ertragen ist, denn Humor ist ja bekanntlich „wenn man trotzdem lacht“, wie der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum es einmal ausgedrückt hat. Wahrscheinlich sieht man deshalb wohl in allen Ländern dieser Erde, besonders natürlich den Einwanderungsländern, Grüppchen von Migranten zusammensitzen, die über sich und ihr Exilantenelend klönen, wobei meist mehr oder weniger heftig über das Gastland geschimpft wird. Allerdings wird jeder Erfahrene einräumen, dass Unbehagen und Fremdgefühle mit der Zahl der Jahre, die man im Ausland verbringt, mehr und mehr abnehmen. Ja, man wird im Gegenteil im Laufe der Zeit geneigt, seinen eigenen ursprünglichen Gefühlen und Eindrücken zu misstrauen, weil man allmählich kaum noch Unterschiede zwischen Heimat- und Gastlandkultur feststellen kann, da alles vertraut geworden ist. Und wenn man einmal ins Heimatland zurückkehrt, merkt man, dass man nun auch dort fremd geworden ist, die eigene Kultur zwar kennt, aber nicht mehr so in ihr lebt wie einst. Der Mensch ist eben „ein Gewohnheitstier“, wie man im Deutschen sagt, und wer absolut nicht bereit ist, sich anzupassen, geht in der Regel zurück ins Land der Väter. Nur die ganz Zähen bleiben, gewöhnen sich und werden einheimischer als die Einheimischen oder entwickeln gewisse Ticks, die dann dem japanischen Wort vom „変な外人“ Recht geben.
Wenn man in einen sehr entfernten Kulturkreis verschlagen wird, wie z. B. von Deutschland nach Japan, und diesen vorher nicht etwa durch Reisen aus eigener Anschauung schon kannte, erlebt man natürlich viele Überraschungen, denn angefangen vom Klima, über die Ernährung bis hin zum Umgang der Menschen untereinander kommt einem alles ziemlich anders vor. Wenn der erste Schock verraucht ist, und man nicht mehr 豆腐 kauft, weil man ihn für Quark hält (als ich nach Japan kam, kannte man in Deutschland noch keinen Bohnenquark!), oder 蕗, in der Annahme, es handele sich um eine Rharbarberabart mit viel Zucker weichkocht, stellt man allerdings fest, dass viele dieser ersten Überraschungen nur verkappte sind, denn Menschen sind Menschen, egal wo sie leben, und ihre Bedürfnisse, Wünsche und Beziehungen untereinander sind sich doch in den einzelnen Kulturkreisen ziemlich ähnlich. Gefährlich wird es, so will mir scheinen, nur, wenn religiöse Gesetze und Verbote Ernährung und Umgang regeln, aber zum Glück gibt es ja solche Probleme zwischen Deutschland und Japan nicht. Mit dem Christentum der Deutschen ist es schliesslich nicht mehr weit her!
Ein großes Problem allerdings gibt es, und das ist die Sprache und im Japanischen noch dazu im Besonderen die Schrift. Auch wenn man als Europäer schon lange in diesem Land lebt, sich einigermassen verständigen und sich allgemein zu den verschiedensten Dingen äußern kann, bleibt die Schranke des nicht flotten Lesen- und vor allem Schreibenkönnens. Und die Japaner andererseits haben das Problem mit unseren vertrackten Namen! Womit wir auf ein Thema kommen, das selbst einen eingefleischten ausländischen Japan-Fan in Wallung bringen kann – die Schreibung eines Gaijin-Namens nämlich. Besonders beliebte Orte für Konflikte in dieser Richtung sind Bank, Post und Rathaus. Soll der Name nun in Romaji, in Katakana und mit oder ohne zweiten (dritten ...) Vornamen geschrieben werden? Entscheiden tut das offenbar der jeweilige Beamte. Es gibt hier keine Regel außer der, dass ein Gaijin, der z.B. einen japanischen Ehepartner hat und dessen Namen trägt, keine Kanji für diesen Namen verwenden darf. (Tatsächlich dürfen ausländische Ehepartner von Japanern den japanischen Nachnamen gar nicht führen. Diese Regel wird aber wohl dadurch umgangen, dass man den Namen in Katakana schreibt.) Daraus resultiert, dass z.B. auf meinem Postsparbuch mein Name in Romaji, auf dem der einen Bank in Katakana mit zweitem Vornamen und auf dem der anderen ohne diesen erscheint. Und wehe – man vergisst die Details, dann heißt es bei manchen Transaktionen sämtliche Formulare noch einmal ausfüllen oder manchmal sogar Auszahlungsverweigerung. Ich habe eine Freundin, die bei einer sehr kulanten, vielleicht auch unbedarften, ländlichen Bankfiliale den Nachnamen ihres japanischen Ehemannes in Kanji auf ihr Bankbuch geschrieben bekam. Jahre später wollte sie das Konto bei der Filiale dieser Bank in der Stadt Hiroshima kündigen und ihr Geld zurückhaben. Das wurde ihr verweigert, da sie als Gaijin ja nicht mit der auf dem Bankbuch eingetragenen Person identisch sein könne. Da nutzte auch der größte Wutanfall nichts! Es blieb ihr nichts anderes übrig als einen Trick anzuwenden. Auf dem Rathaus beantragte sie einen „Künstlernamen“, nämlich just den Nachnamen ihres Mannes geschrieben in Kanji, und siehe da, die Bank musste ihr nun das Geld auszahlen. So etwas nennt man auf Deutsch Bürokratie und nicht nur die Deutschen sind berühmt dafür. Mein Großvater, Jahrgang 1893, meinte, als ich nach Japan ging: „Die Japaner sind die Preußen des Ostens. Da kannst Du ruhig hingehen, Kind!“ An die Ähnlichkeit der bürokratischen Gepflogenheiten hat er dabei aber wohl nicht gedacht. Wie gut übrigens auch, dass meine Eltern mir nur einen zweiten Vornamen gegeben haben und nicht drei oder vier wie früher üblich. Meiner ist allerdings ziemlich lang und steht auf den Bankbüchern oft nur in verstümmelter Form, weil der Computer streikt. Auch da ist es sehr wichtig, eben gerade diese verstümmelte Form zu verwenden, weil sonst Ärger droht. Man wird verstehen, dass für derartige Erlebnisse eine Portion Humor vonnöten ist. Und damit kommen wir zu einem weiteren „konfliktträchtigen“ Thema.



In unterschiedlichen Kulturkreisen wird auch unterschiedlich gelacht. Eine Binsenweisheit, die aber für den jeweils Betroffenen, d.h. im Ausland Lebenden, recht anstrengend und frustrierend sein kann. In Deutschland pflegt man zum Beispiel eine besondere Form des Humors, den sogenannten „trockenen Humor“, der etwas mit Sarkasmus zu tun hat. Um ein einfaches Beispiel zu geben: Jemandem, der eigentlich verpflichtet wäre eifrig zu arbeiten, der aber seiner Tätigkeit betont langsam und umständlich nachgeht, ruft man zu: „Nun überarbeiten Sie sich bloß nicht!“ Oder z.B. ein Busfahrer, dem man das Fahrgeld nicht in passendem Kleingeld hinlegt, sondern mit einem Zwanzig-Euro-Schein bezahlen will, sagt: „Haben Sie es nicht noch größer?“ Diese Variante des Sarkasmus oder der Ironie blüht besonders in meiner Heimatstadt Berlin, wird dort sehr geschätzt und gibt immer wieder Anlass zu Gelächter. Vielleicht darum auch nannte Goethe die Berliner einen „verwegenen Menschenschlag“, wie uns Eckermann überliefert hat.

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Nur einmal in seinem langen Leben hat der Dichter und Weimarer Minister die preußische Hauptstadt zu Gesicht bekommen. Das war im Mai 1778, als der damalige Legationsrat seinen Landesherren, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar, in einer diplomatischen Mission nach Berlin begleitete. Positiv äußerte er sich zum Berliner Witz so: „Das Völkchen besitzt viel Selbstvertrauen, ist mit Witz und Ironie gesegnet und nicht sparsam mit diesen Gaben.“

Beim trockenen Humor ist es wichtig, dass die jeweilige Äusserung von keinerlei erkennbaren Emotionen begleitet ist und nur indirekt als Witz entlarvt werden kann. Ich persönlich mag diese Form des Humors sehr und hatte in meiner Jugend einige alte Tanten, die sie perfekt beherrschten. Da ich jetzt auch langsam im Alter dieser Tanten bin, würde ich diese Technik auch gerne ab und an benutzen, doch scheint das im Japanischen keine oder die falsche Wirkung zu haben. Bei meinen bisherigen unvollkommenen Versuchen wurde mir von meiner Familie stets falsch verwendetes Japanisch vorgeworfen. „So sagt man nicht“, wurde mir bedeutet. Nun, das war mir ja klar, aber ich hatte eben vermutet, es würde ähnlich wie im Deutschen „ironisch“ klingen. Mag sein, dass es vor allem diese unterschiedliche Art war, bestimmte Situationen im sozialen Zusammenleben zu bewältigen, die meine Kinder dazu brachte, mich als „宇宙人“ zu bezeichnen. Sie sagten das liebevoll und lachten herzlich über meine sprachlichen und kommunikativen Unzulänglichkeiten, allerdings auch über meine andere Art, Äpfel zu schälen, Klingelknöpfe zu bedienen und dgl. mehr. Alles war irgendwie anders als bei den „normalen“ Müttern ihrer Schulkameraden. Ich habe dann aus dem 宇宙人 eine 火星婦 gemacht, wobei ich an ein Wortspiel mit 家政婦dachte und stolz auf meinen Witz war. Leider wurde der aber auch wieder nicht so richtig verstanden.
Das Leben eines Gaijin ist also nicht so ganz einfach, und die Frustrationen enden auch nicht, wenn man nach Monaten oder manchmal auch erst Jahren endlich wieder einmal heimischen Boden betritt. Denn auch dort in der Heimat gehört man nicht mehr so ganz dazu. Besonders in den ersten Tagen nämlich ist die Neigung, sich überall und vor jedem Gesprächspartner zu verbeugen, nur schwer zu unterdrücken. Denn die Körpersprache ist inzwischen so japanisiert – man lernt diese ja wesentlich schneller als die „richtige“ Sprache – dass man immer wieder beim Umgang mit Fremden spürt, wie man nicht so ganz für voll genommen, als etwas merkwürdig eingeschätzt wird. Zum Glück ließ sich aber feststellen, dass man nach spätestens zwei Wochen wieder voll im heimatlichen Rhythmus ist, wenigstens solange man die Möglichkeit hat, regelmäßig den weiten Flug nach Europa anzutreten.
Apropos Europa! In Japan hält man ja gern alle westlichen Ausländer für Amerikaner, und das haben wir selbstverliebten Europäer gar nicht gern. Ich werde viel lieber auf Japanisch als auf Englisch angesprochen, und es gehört zu meinen verwirrendsten Erlebnissen, als ich einmal in einem Park, wo ich mit meinen Kindern herumspazierte, ein vorbeigehendes kleines Mädchen zu seiner Mutter sagen hörte:
„ママ、見て、本物のアメリカのお母さんよ!“

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